Münchner Weitblick

 

„Münchner Weitblick“ heißt die neue Veranstaltungsreihe der Olympiapark München GmbH, welche sich großen Herausforderungen unserer Zeit widmet. Dafür werden Impulsgeber:innen und Weichensteller:innen zusammengebracht, um gemeinsam ein Bewusstsein für die wichtigsten Aufgaben zu schaffen und interaktiv Handlungsspielräume und Wirkungszusammenhänge aufzuzeigen.

Schon heute trägt die Olympiapark München GmbH als Teil der Stadtgesellschaft zur Lösung einiger aktueller Herausforderungen unserer Gesellschaft bei. Etwa, indem sie gesundheitsfördernde Aktivitäten schafft oder sie Bürger:innen bei kulturellen und sportlichen Events verschiedenster Art zusammenbringt. Über diese Grundaufgaben hinaus möchte der Olympiapark einen Blick aus dem Heute in die Zukunft werfen und eine produktive Plattform für den Austausch zu den drängendsten Themen dieser Stadt bieten.

Die neue Reihe wird organisiert von der Olympiapark München GmbH in Kooperation mit „72.22 – Netzwerk für eine lebenswerte Stadt“ und begleitet von „TUM Think Tank – Hochschule für Politik München“. Ab 2023 stehen regelmäßig Herausforderungen der Gegenwart im Fokus, um mit Weitblick multiperspektivische Impulse für ein gesundes, kooperatives und zukunftsfähiges München zu geben.

Einen Einblick in das neue Veranstaltungsformat gibt´s auf Youtube.

 

 

 

Im Fokus: Herausforderungen der Gegenwart.


Das Ziel: Mit Weitblick multiperspektivische Impulse setzen und Lösungen realisieren für ein gesundes,
kooperatives und zukunftsfähiges München.


Themenbeispiele: Mentale Gesundheit, Energie, Fachkräftemangel und Mobilität.

Marion Schöne
Geschäftsführerin Olympiapark München GmbH
Marion Schöne

Die bisherigen Weitblick-Runden haben gezeigt, wie wertvoll und produktiv der Austausch über drängende Themen aus verschiedenen Perspektiven ist. Und ich bin überzeugt, dass diese Plattform nicht nur wichtige Impulse geben, sondern auch praktische Umsetzungen für München und den Olympiapark liefern kann.

Urbane Mobilität neu erzählen

4. Münchner Weitblick, 23. Oktober 2023

Ein buchstäblich bewegendes Thema beschäftigte Vertreter:innen aus Wissenschaft, Wirtschaft, Lokalpolitik und Verwaltung beim vierten Münchner Weitblick auf der Zukunftsplattform des Olympiaturms. Urbane Mobilität stand im Mittelpunkt, genauer gesagt: ein anderer, zukunftsfähiger Umgang damit. „Was muss sich in unseren Köpfen ändern, damit wir Mobilität neu erzählen können?“, formulierte OMG-Geschäftsführerin Marion Schöne während ihrer Begrüßung die Leitfrage des Abends.

Erste Antworten lieferte Malene Freudendal-Pedersen, Professorin für Stadtplanung, in ihrem Impulsvortrag. Die Dänin lehrt und forscht für die Universität Aalborg auf dem Campus Kopenhagen, hat aber auch einen Wohnsitz in München. Im direkten Mobilitätsvergleich der beiden Städte sieht sie einen entscheidenden Unterschied: „In Kopenhagen steht das Auto hierarchisch nicht über dem Fahrrad.“ Anstatt das Auto aber zu verteufeln und ständig darüber zu sprechen, fordert sie, mehr von erstrebenswerten Konzepten zu erzählen – etwa der „15-Minuten-Stadt“, in der die Menschen alle Alltagsziele binnen einer Viertelstunde zu Fuß oder mit dem Fahrrad erreichen können.

Über neue Sichtweisen und Verhaltensänderungen diskutierten anschließend Alain Thierstein, Professor für Raumentwicklung an der TU München, Alexander Bilgeri, der bei BMW unter anderem die Nachhaltigkeitskommunikation verantwortet, sowie die Verhaltensökonomin Fabienne Cantner. „Menschen fällt es unglaublich schwer, ihr Verhalten zu ändern“, betonte letztere. „Deshalb muss man es ihnen so leicht wie möglich machen.“ Dabei spielen laut Cantner neben Anreizen auch soziale Normen und Aufklärung eine wichtige Rolle: Es müsse einfach als cool gelten, den ÖPNV zu nutzen – und die meist unterschätzten Kosten des Autofahrens müssten viel häufiger klar aufgezeigt werden.

BMW-Sprecher Alexander Bilgeri widersprach dem nicht, im Gegenteil. Auch er fordert, den ÖPNV attraktiver zu machen und sieht im Wechsel vom Verbrenner zum Elektromotor noch kein hinreichendes Umdenken in Sachen Mobilität. „Wir sollten aber das Auto nicht verteufeln, sondern Verkehrsmittel intelligent verknüpfen.“ Mehr Geschwindigkeit wünscht er sich vor allem jenseits der Straßen, bei den Entscheidungsträger:innen: „Wir führen heute Diskussionen, die schon vor 30 Jahren nötig gewesen wären“, sagte er mit Blick auf die Idee einer autofreien Zone innerhalb des Altstadtrings.

Flächen ohne Pkw spielten auch in der Argumentation des Raumentwicklers Prof. Alain Thierstein eine wichtige Rolle. Er verwies darauf, dass fünf parkende Autos in etwa soviel Platz einnehmen wie ein:e Münchner:in im Durchschnitt als Wohnfläche nutzt. „Wir brauchen Mobility-as-a-Service, nicht Mobilität als Besitz“, sagte er und plädierte für Strategien auf Stadtebene, anstatt eng begrenzter Reallabor-Projekten wie zuletzt in der Kolumbusstraße: „Ich schlage vor, dass wir in zwei Jahren alle Münchner Straßen auf einer Seite von Parkplätzen freiräumen und den Platz für  Fahrräder, Cargobikes und Wirtschaftsverkehr nutzen.“

In der darauffolgenden Diskussion mit dem Publikum sprach sich auch die Münchner Umweltreferentin Christine Kugler dafür aus, die Verteilung von öffentlicher Fläche als zentralen Hebel für den Mobilitätswandel zu nutzen. Danach ging die Ideenfindung mit anderen Mitteln weiter. Im interaktiven „Future Synthesizer“-Format konnten alle Gäste ihre ganz persönlichen Gedanken zu Papier bringen – dazu, wie Mobilität in München künftig erzählt werden sollte.

 

Zitate

Marion Schöne

„Wir sollten weniger polarisieren, sondern gemeinsam neue Wege gehen, nur so schaffen wir eine Mobilitätswende!“

Angela Kesselring

„1972 war geprägt durch ungebremsten Fortschrittswillen und die Leadership-Skills von Hans-Jochen Vogel. Das war der letzte Modernisierungsschub Münchens. 2022 war München Stauhauptstadt.“

Malene Freudendal-Pedersen

„Ich habe kein Problem mit Autos an sich. Nur mit der Art, wie wir sie nutzen und den Folgen, die das hat.“

„E-Autos sind oft größer als die Fahrzeuge, die sie ersetzen. Und viele nutzen es häufiger als zuvor den Verbrenner – zu Lasten des ÖPNV.“

Fabienne Cantner

„Soziale Normen sind für das Mobilitätsverhalten sehr wichtig. Der ÖPNV muss so cool werden, wie es in manchen Kreisen momentan das Lastenfahrrad ist.“

„Die Menschen schätzen völlig falsch ein, wie teuer Autofahren eigentlich ist.“

Alexander Bilgeri, BMW

„Der reine Umstieg vom Verbrenner aufs E-Auto bringt kein neues Mobilitätsverhalten. Es geht nicht um billigere E-Autos, sondern um ein Umdenken in Sachen Mobilität!““

„Als BMW in den 1990er Jahren vorschlug, München innerhalb des Altstadtrings autofrei zu machen, sind wir mit der Idee aus dem Rathaus geflogen.“

Prof. Alain Thierstein, TUM

„Es ist ein Riesenproblem, dass München keine Ringbahn hat, die die Subzentren anbindet. Wir hätten uns vor 20 Jahren anstelle der nutzlosen zweiten Stammstrecke für einen S-Bahn-Südring entscheiden müssen – also für eine bessere Erreichbarkeit der Region.“

„Eigentlich haben wir in München kein Wohnungsproblem, sondern ein Autoflächen-Problem.“  

Neue Arbeitskultur – neue Arbeitskräfte?

3. Münchner Weitblick, 3. Juli 2023

Der Fachkräftemangel stand im Mittelpunkt des dritten Münchner Weitblicks auf der Zukunftsplattform im Olympiapark. Vertreter:innen aus Wirtschaft, Wissenschaft, Lokalpolitik und Verwaltung diskutierten darüber, wie eine neue Arbeitskultur, aber auch Innovationen in der Bildung, im Recruiting und der technischen Entwicklung dazu beitragen können, den branchenübergreifenden Arbeitskräftemangel zu überwinden, unter dem auch München leidet

„An sich müssen Arbeitgeber heutzutage ein Wellnesshotel führen, um genügend Fachkräfte zu finden, die sich bei ihnen wohlfühlen.“ Ironisch beschrieb OMG-Geschäftsführerin Marion Schöne in ihrer Begrüßung die heutige Situation auf dem Arbeitsmarkt, der ihr zufolge längst ein Arbeitnehmermarkt ist.

Tiefere Einblicke in diesen Markt und seine Mechanismen lieferte anschließend Impulsredner Prof. Clemens Fuest, Präsident des Münchner ifo Instituts: Im Gegensatz zu anderen Bereichen unserer Marktwirtschaft lässt sich der Arbeitsmarkt laut Fuest nicht allein über Preise, sprich: Gehälter, regulieren. Es sei auch weit komplexer, Nachfrage und Angebot zusammenzubringen, als in „normalen“ Märkten. Hier sieht Fuest Optimierungspotenzial wie auch bei einigen anderen Stellschrauben, die den Mangel an Fachkräften lindern könnten – darunter Automatisierung und Digitalisierung, Bildung, Zuwanderung und verbesserte Arbeitsbedingungen. Letztere hält Fuest für elementar, damit Menschen mitunter mehr arbeiten möchten. Denn Knappheit herrsche eigentlich weniger an Arbeitskräften als an Arbeitszeit: „Es gibt heute sechs Millionen mehr Erwerbstätige als in den 1990er Jahren, so viele wie nie“, rechnete der Volkswirt vor. „Aber die 46 Millionen heute leisten nur die gleiche Gesamtmenge an Arbeitsstunden wie damals 40 Millionen.“

Über diese und weitere Stellschrauben diskutierten anschließend Valerie Holsboer, ehemalige Vorständin der Bundesagentur für Arbeit, Catharina van Delden, Mitgründerin des Software-Startups Innosabi, sowie Prof. Martin Wortmann, Generalsekretär der Bildungsallianz des Mittelstands, moderiert von Angela Kesselring vom Netzwerk 72.22. Holsboer warnte Unternehmen davor, sich auf vermeintlich perfekte Kandidatinnen und Kandidaten zu fixieren. „Wir müssen Potenziale rekrutieren, nicht Qualifikationen“, sagte sie und forderte eine Abkehr vom „Zertifikatefetisch“. Zudem sieht sie noch viel Potenzial bei Personengruppen, die auf dem Arbeitsmarkt bislang zu kurz kommen, etwa über 50-Jährige oder die „stille Reserve“ derjenigen, die bislang nicht arbeiten. Zum Teil handelt es sich um Frauen, für die sich Arbeiten wegen des Ehegattensplittings schlicht nicht lohnt. Zu einem beträchtlichen Teil aber auch um Menschen, die gesellschaftlich abgehängt sind.

„Wir haben riesige Probleme, was die soziale Integration in den Schulen betrifft“, bestätigte Bildungsexperte Prof. Wortmann. Er plädiert zugunsten des Arbeitsmarktes für eine umfassende Reform des Bildungssystems. „Wir müssen mehr erfahrungsbasierte Möglichkeiten auf allen Bildungsebenen schaffen, beispielsweise über projektbasiertes Lernen“, sagte er und forderte zudem, mehr Grundlagenwissen zu vermitteln und erst viel später mit der Spezialisierung auf bestimmte Gebiete zu beginnen. Unternehmerin van Delden wiederum betonte, wie wichtig Sinn und Kultur der Arbeit sind, um Beschäftigte zu gewinnen und zu motivieren. „Wenn der Purpose nicht stimmt, werden die Menschen nicht ihr Bestes geben“, sagte sie. Mit Blick auf moderne Arbeitsbedingungen, die Münchner Unternehmen attraktiv für Fachkräfte machen, sieht sie auch die Stadt in der Pflicht. Für Arbeitskräfte, die nicht mehr ständig am gleichen Ort wohnen wollen, fehlen ihrer Ansicht nach passende Angebote und Regeln – von hochflexibler Kinderbetreuung bis zur Erlaubnis, die eigene Wohnung längerfristig unterzuvermieten.

Die lebhafte Diskussion über vernachlässigte Ressourcen und neue Wege für den Münchner Arbeitsmarkt ging anschließend in kleineren Gruppen weiter. Im Co-Creation-Format „Future Synthesizer“ entwickelten die Podiumsgäste gemeinsam mit den anwesenden Stadtratsmitgliedern, Referatsleitungen und Unternehmer:innen weitere Ideen – wobei „Flexibilität“ und auch Wertschätzung besonders oft zu hören war.

Hier finden Sie den Clip zum 3. Münchner Weitblick.

 

Zitate

Prof. Clemens Fuest

„Ohne Automatisierung und Digitalisierung sind wir komplett geliefert in diesem Land.“

„Ich bin nicht so sicher, ob wir genug Zuwanderung für den Arbeitsmarkt bekommen, weil Deutschland als Zuwanderungsland nicht besonders attraktiv ist.“

„Eine Viertagewoche würde die Fachkräfteknappheit weiter verschärfen, und wir müssten uns auf steigende Preise einstellen.“

Valerie Holsboer

„Solange Unternehmen so tun, als warteten hinter den sieben Bergen tausendmal schönere Arbeitnehmer als die tatsächlichen Bewerber, geht es ihnen wohl noch zu gut.“

„Selbst Software-Unternehmen leisten es sich immer noch, Mitarbeiter ab 50 lieber freizustellen, als den Versuch zu unternehmen, mit ihnen nach den Möglichkeiten der neuen Arbeitswelt weiterzuarbeiten.“

„Unter den abgehängten Menschen gibt es sehr viele Kinder, die niemanden kennen, der arbeitet. Es ist sehr mühsam und langwierig, in diese Strukturen wieder Bewegung zu bringen – aber es lohnt sich.“ 

Catharina van Delden

„Unternehmen müssen quasi einen Spielplatz zu schaffen, auf dem jeder Mitarbeiter sich selbst weiterentwickeln kann und dadurch auch die Firma weiterentwickelt.“

„KI kann der beste Freund des arbeitenden Menschen werden – wenn wir dieses Werkzeug auch zu bedienen wissen.“

„In IT-Unternehmen ist eine Produktentscheidung oft auch eine HR-Entscheidung. Wenn Sie beispielsweise auswählen, mit welcher Programmiersprache eine Software programmiert wird, muss es nicht nur die beste für das Produkt sein, sondern auch eine, mit der viele Entwickler gerne arbeiten.“

Prof. Martin Wortmann

„Die Gesellschaft gibt ihren Kindern vor, dass sie Akademiker werden sollen, weil das eine höhere Wertigkeit hat.“

„Wir müssen damit aufhören, unterschiedliche Bildungsniveaus voneinander zu trennen.“

„Wir sind im Ausbildungssystem völlig falsch unterwegs, weil wir uns zu früh spezialisieren.“

 

Neue Energie braucht neue Ideen: Wie schaffen wir die Wende gemeinsam?

2. Münchner Weitblick, 20. März 2023

Die Rahmenbedingungen sind klar: Um den Klimawandel zu bremsen, muss sich unser Umgang mit Energie fundamental ändern. Was aber können wir gemeinsam tun, um mit Innovation und in Kooperation Strom und Wärme nachhaltig und bald klimaneutral zu erzeugen? Und was läuft bereits vielversprechend? Mit diesen Fragen beschäftigten sich Vertreter:innen aus Wissenschaft, Lokalpolitik, Start-up- und Energiewirtschaft sowie das Netzwerk 72.22 beim zweiten Münchner Weitblick auf der Zukunftsplattform im Olympiaturm.

„Der Olympiapark verbraucht 12 bis 13 Millionen Kilowattstunden pro Jahr“, legte die Weitblick-Gastgeberin und Geschäftsführerin der Olympiapark München GmbH (OMG) Marion Schöne gleich zum Auftakt die Karten auf den Tisch. Für sie ist Strom ein wesentlicher Kostenfaktor, wenngleich die OMG längst nicht zu den größten Kunden des Impulsredners zählt. Prof. Florian Bieberbach ist Vorsitzender der Geschäftsführung der Stadtwerke München (SWM) und nutzte seinen Vortrag für einen weiten Ausblick: „Wärmeerzeugung wird 2072 eine geringere Rolle spielen“, prophezeit er, „Kälteerzeugung wird dagegen an Bedeutung gewinnen.“ Bieberbach bezog damit die Erderwärmung in seine Prognose ein. Sie dürfte im Zusammenspiel mit den bis dahin besser gedämmten Häusern den Heizbedarf deutlich reduzieren, aber gleichzeitig im Sommer auch in München weitflächig Klimatisierung erforderlich machen. Die SWM setzen dabei viel Hoffnung auf Geothermie ergänzt durch Wasserstoff.

Die Gegenwart und die nähere Zukunft standen bei der anschließenden Diskussionsrunde im Fokus. Dort brachten Dr. Simon Köppl, Leiter Reallabore bei der Forschungsstelle für Energiewirtschaft (FfE), Rupert Steigenberger, Erster Bürgermeister der Gemeinde Berg, und Andreas Eberhardt, Co-Founder von Pionierkraft, die Perspektiven von Wissenschaft, Zivilgesellschaft und Start-up-Wirtschaft ein. „Es mangelt nicht an Visionen und Zielen“, sagte Köppl. „Die eigentliche Frage ist aber, wie die konkreten Handlungspläne aussehen.“

Ein Beispiel für konkretes Handeln – und die oft damit verbundenen Hürden – liefert die Gemeinde Berg, in der mittlerweile fünf Windräder erfolgreich laufen und ihr Soll sogar übererfüllen. „Der größte Widerstand kam dabei aus den Nachbargemeinden“, verriet Bürgermeister Steigenberger. Widerstände gehören auch zum Tagesgeschäft des aus der TUM hervorgegangenen Start-ups Pionierkraft. Dessen Vision: auch Mietern in großem Stil Solarenergie zu ermöglichen. „Bislang gibt es in Deutschland so gut wie keine Photovoltaik auf Mehrfamilienhäusern“, sagte Eberhardt. „Um das zu ändern, müssen wir viele Ängste und regulatorische Restriktionen rund um Mieterstrom überwinden.“ Lohnen dürfte sich der Aufwand in jedem Fall: Allein in München könnten 50.000 Dächer grünen Strom für Mietswohnungen liefern.

„Vielleicht können wir das ja gemeinsam schaffen“, meldete sich Münchens Umweltreferentin Christine Kugler anschließend zu Wort. „Wir planen, mit einer neu gegründeten Photovoltaik-Agentur passende Flächen zu vermitteln.“ Spontane Kooperationsszenen wie diese sind ein entscheidendes Element der Weitblick-Reihe. Sie will, ganz im Sinne des Netzwerks 72.22, das die Reihe als Kooperationspartner der OMG organisiert, Ideen und Expertisen bündeln, um gemeinsam dem Ziel einer kooperativen, lebenswerten und zukunftsfähigen Stadt näher zu kommen.

Beim Weitblick-Abend fand dieser Co-Creation-Prozess seinen Höhepunkt erneut im „Future Synthesizer“. Inspiriert vom Impulsvortrag und den Perspektiven der Diskutanten formulierten die Stadträt:innen, Referatsleiter:innen und Unternehmer:innen im Publikum ihre eigenen Ideen für eine gemeinschaftlich gemeisterte Energiewende in München.

Fotocredit: Luise Aedtner, Münchner Weitblick + 72.22

Wissenschaft und Stadt im Austausch - Mentale Gesundheit in München: Was hat Corona mit unserer Psyche gemacht?

1. Münchner Weitblick, 21. November 2022

Die Pandemie hat sich auf die mentale Gesundheit der Bürger:innen ausgewirkt: Psychische Erkrankungen nehmen zu. Was kann die Stadt tun, um das zu ändern? Darüber diskutierten Wissenschaftler:innen mit Stadträt:innen, Referatsleitungen, Jugendliche und engagierte Unternehmer:innen sowie das Netzwerk 72.22 beim ersten Münchner Weitblick auf der Zukunftsplattform im Olympiaturm.

„Oberflächlich hat München die zwei Jahre Corona recht gut überstanden“, sagte Martin Felber, Direktor der AOK München. Doch bei näherem Hinsehen hat die Pandemie einige besorgniserregende Spuren hinterlassen, wie er mit Statistiken zur mentalen Gesundheit aufzeigte: So sei die Zahl psychischer Erkrankungen bei Arbeitnehmer:innen seit 2020 spürbar angestiegen; fast die Hälfte aller, die Krankengeld beziehen, hätten inzwischen eine psychische Erst- oder Begleitdiagnose. Besonders ernst ist die Lage bei Jugendlichen: Hier registriert die AOK zweistellige Zuwächse bei Depressionen, Essstörungen treten gar um mehr als 50 Prozent häufiger auf.

Der Impulsvortrag des AOK-Direktors legte die Basis für die Diskussionen und die Suche nach Lösungsansätzen beim ersten Münchner Weitblick. Bei der Auftaktveranstaltung am 21. November lieferten darüber hinaus die Stadtentwicklungs-Professorin Agnes Förster, Professorin für Stadtentwicklung, der Sportdozent und Jugendtrainer Nicolai Kammann sowie Prof. Peter Falkai, Leiter der LMU-Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie München drei Perspektiven: „Soziale Kontakte sind unser wichtigstes Lebenselixier“, betonte Prof. Falkai, demzufolge besonders Kinder und Vorerkrankte unter pandemiebedingten Einschränkungen litten. Zudem hielt der Psychiater städtische Räume für elementar, die dem Olympiapark ähneln: „Grün ist gut für die Psyche“, sagte er und fordert mehr Flächen, in denen sich Höhen und Tiefen, Grün und Wasser abwechseln.

Auch Prof. Förster, die an der RWTH Aachen den Lehrstuhl für Planungstheorie und Stadtentwicklung hält, wies auf Probleme hin, die aus der „Nichtverfügbarkeit von Raum“ während der Pandemie resultierten, als etwa Büros, Bibliotheken, Museen und Restaurants geschlossen blieben. Wenn es um die Erschließung neuer Räume geht, plädiert sie für mehr aktive Bürgerbeteiligung: „Die Menschen sollten nicht nur Konsumenten der Stadt sein, sondern auch mitmachen und selbst Räume gestalten. Vor dem eigenen Haus, im Hinterhof – auf Freiflächen der Stadt”.

Sportdozent und Jugendtrainer Kammann wiederum kritisierte, dass gerade für Jugendliche in München Plätze fehlten, an denen sie skaten oder Fußballspielen können, ohne als Störfaktor zu gelten. „Und manche vorhandenen Freiräume kennen viele Menschen gar nicht“, erklärte er. Zudem fordert Kammann einen Bewusstseinswandel, damit das Großstadtleben gesünder wird: „Es genügt nicht, Flächen anzubieten. Wir brauchen auch mehr Bewegungsoptimismus.“

Ein erster Schritt in diese Richtung deutete sich in der anschließenden Diskussion mit Stadträt:innen und Referatsleitungen an, bei der es unter anderem um Schanigärten, Nutzungskonflikte auf öffentlichen Flächen, konsumfreie Räume und Bewegungsanreize ging. Stadtbaurätin Prof. (Univ. Florenz) Elisabeth Merk wies auf die neue Stadttouren-App „München entdecken“ hin, die das von ihr geleitete Referat für Stadtplanung entwickelt hat: „Vielleicht ließe sich da auch ein Bewegungsspaziergang integrieren.“

Weitere Ideen für ein gesünderes München wurden danach beim sogenannten „Future Synthesizer“ gesammelt. „Lassen Sie uns gemeinsam Zukunftsmusik machen“, beschrieb Prof. Förster das von ihr entwickelte Format, bei dem die Teilnehmenden in Zweier-Teams heute darüber nachdachten, wie der Olympiapark auch im Jahr 2072 ein mobilisierender Raum für ein gesundes und zukunftsfähiges München sein kann – und was dafür schon in den kommenden Jahren getan werden könnte. Mindestens eine der Projektideen wird ab Januar in einem Co-Creation-Prozess mit mehreren Partnern konkretisiert und nachfolgend im Olympiapark umgesetzt.

„Schon die heutige Premiere hat gezeigt, was alles möglich ist, wenn drängende Themen aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet und gemeinsam bearbeitet werden“, sagte OMG-Geschäftsführerin Marion Schöne nach dem Auftakt.

Die 1. Münchner Weitblick wurde von einem Podcast-Format begleitet. Dieser steht unter folgender URL zum Download bereit.

Fotocredit: Luise Aedtner, Münchner Weitblick + 72.22